»Das Puppenhaus« [E78]
Sammlung von Zwölf Erzählungen, erschienen 1978 unter dem schwedischen Originaltitel »Dockskåpet och andra berättelser« (»... und andere Geschichten«).
Inhalt:
- Der Affe
Geschildert wird, wie ein gealterter Künstler am Tage nach seiner Ausstellungseröffnung sich innerlich für die Lektüre der Zeitungskritiken vorbereitet, diese in ihrem herablassenden Wohlwollen als kränkend empfindet und schließlich mit seinen Künstlerfreunden einen trinken geht, wobei sein Haustier, ein Affe, sich im Lokal daneben benimmt.Tove Janssons Vater
Viktor Jansson hielt sich im Atelier einen Affen, wie auch in
E68 beschrieben wird.
- Das Puppenhaus
Zwei Männer leben seit 20 Jahren zusammen. Als beide schließlich im Ruhestand sind, verschieben sich auf einmal die Interessen: während der eine schön wohnen und kochen möchte, beginnt der andere ein Werk – den Bau von kleinen Möbeln, schließlich eines ganzen Hauses im kleineren Maßstab. Eines Tages kommt ein anderer Bekannter hinzu und hilft fortan begeistert mit; zwischen den Bauenden entwickeln sich Vertrautheit und Gemeinsamkeit. Der nicht Bauende hat mit schwerer Eifersucht zu kämpfen.
- Zeitbegriffe
Der alten Großmutter wird ein Treffen mit einem Freund von früher ermöglicht. Dazu ist ein Flug von Europa nach Alaska nötig. Die Großmutter ist schon länger völlig desorientiert, was Tages- und Uhrzeiten betrifft – der begleitende Enkel will schier daran verzweifeln. Als der Jugendfreund die beiden am Ziel abholt und das Zeitthema ganz unwichtig findet, wird sichtbar, dass es auch anders geht, als jemanden unbedingt überzeugen zu müssen.
- Lokomotive
Ich-Erzählung eines schwer beziehungsunfähigen Mannes, der sich nicht auf Menschen, sondern nur auf Maschinen und Motoren einlassen kann. Als er zufällig doch eine Frau kennenlernt, wird es ihm schnell zu unberechenbar...
- Eine Erzählung aus Hilo, Hawaii
Ein junger Rucksacktourist in Geldnöten nervt den Betreiber einer abgehalfterten Bar, indem er fortgesetzt das klischeehafte Hawaii zu finden sucht. Trotzdem entwickelt sich nach und nach eine Art Freundschaft, die beider Leben positiv verändert.
- Eine Erinnerung aus dem neuen Land
Drei junge Schwestern aus Finnland sind nach Amerika ausgewandert und leben dort in beengten Verhältnissen. Während die Älteste ein strenges Regiment führt, verlobt sich die Mittlere teils sorglos, teils aus Protest mit einem zwielichtigen Italiener. Beim Jahrestreffen der finnischen Landsmannschaft kommt es zu erheblichen gesellschaftlichen Störungen – und alle Schwestern müssen neu den Stellenwert von Herkunft und Tradition gegenüber den konkreten Realitäten abwägen.
- Der Comiczeichner
Ein neuer Zeichner muss in fliegendem Wechsel die tägliche Zeitungscomic-Geschichte »Blubby« übernehmen, weil der bisherige Zeichner nach vielen erfolgreichen Jahren urplötzlich verschwunden ist. Den neuen Zeichner lässt das nicht los, und er ruht nicht eher, bis er den verehrten Vorgänger ausfindig gemacht hat. Dabei ist einiges darüber zu erfahren, wie eine fiktive Figur lebenszerstörende Zwangslagen verursachen kann.Tove Jansson schrieb, dass ihre Gefühle
Mumin gegenüber nach einigen Jahren des Comiczeichnens »Hass zu ähneln begannen«. Beim der Vorbereitung der Mumincomics dienenden London-Arbeitsaufenthalt 1954 erfuhr sie auch von ihrem Vorgänger, dem Zeichner Wally Fawkes, der von seiner Comicserie „Flook“ zeitweise psychisch überstrapaziert war.
- White Lady
Drei ältere Damen gehen aus, und zwar in ein am Saisonende fast leeres Ausflugslokal. Eine der dreien ist eine berühmte Schriftstellerin, die anderen beiden versuchen ihr unentwegt Ideen zur literarischen Verwendung zuzutragen. Im Lokal ist sonst nur noch eine Gruppe junger Leute, was die drei Älteren dazu bringt, sich mit ihren fortgeschrittenen Lebensjahren auseinanderzusetzen. Doch Eingefahrenheit und Alkoholgenuss verhindern wahre Kommunikation mit der Jugend; allein die Schriftstellerin könnte eigentlich zufrieden sein, wenn man sie denn auch einfach mal nur als Privatmensch gelten ließe.
- Kunst in der Natur
Auf einer Insel ist für den Sommer eine Freiluft-Ausstellung aufgebaut. Der Wärter ist ein alter Mann und wohnt nachts als einziger dort. Eines Abends ertappt er ein Pärchen beim Grillen. Statt des nun eigentlich angesagten Inselverweises entwickelt sich ein Gespräch über moderne Kunst, in welchem die drei eigentlich sämtlich Unberufenen allerhand herausfinden, weil sie sich von verschiedenen Ausgangspunkten annähern und gemeinsam auf Sinnsuche zu gehen gewillt sind.
- Die Hauptrolle
Um sich auf eine Rolle vorzubereiten, lädt eine Schauspielerin ihre Cousine zu sich ein, um ihr Wesen zu studieren – allerdings ohne sie über diese Absicht zu informieren. An der bescheidenen, immer freundlichen und zufriedenen Art ihrer Verwandten will die stets nervöse und launische Künstlerin bald verzweifeln und macht ihr immer wieder das Leben schwer, da sie für ihre Rolle ein gestressteres Vorbild braucht.Andere Menschen für die eigene künstlerische Arbeit zu missbrauchen, ihnen ihr Wesen und ihre Ideen auszusaugen, ist ein Motiv, das bereits in der Geschichte vom Comiczeichner eine Rolle spielte und gewiss auch für Tove Janssons schöpferisches Leben Bedeutung hatte, sofern es unter Druck stattzufinden hatte.
- Das Blumenkind
Ein ganzes Leben wird hier im Schnelldurchlauf erzählt: Die immer recht erfrischend-naive Flora war stets im Freundeskreis beliebt, heiratet dann reich nach Übersee, und als sie nach Jahrzehnten als arme Witwe zurückkommt, steht es einen Moment auf der Kippe: Kann das Leben mit den alten Freunden, den rauschenden Festen wieder aufgenommen werden...? Doch es hat sich zu vieles ereignet und verändert, und Flora flüchtet schließlich nach und nach in eine Traumwelt.
- Die große Reise
Zwei Frauen sind ein Paar, und eigentlich würden sie gerne eine große Reise zusammen machen, doch Rosa hat noch eine alte Mutter zu versorgen, und das tut sie mit etwas mehr als der nötigen Hingabe, so dass Elena, die Dominantere von beiden, langsam die Geduld verliert. Aber es gelingt den beiden, sich aufeinander zu zu bewegen, auch wenn es Opfer verlangt – der leichte Weg wird es nicht...Die Ähnlichkeit zur Situation Tove Janssons mit ihrer eigenen Mutter
Signe Hammarsten Jansson ist nicht von der Hand zu weisen. Als zusätzliches autobiographisches Detail lesen die beiden Frauen auf einer Landkarte Nordafrikas den Ortsnamen »Gafsa« – woher die
Gafsa der Mumin-Bücher ihren Namen hat.
Bemerkungen:
- Dem befreundeten Arzt Pentti Eistola gewidmet; dieser war am Bau des Muminhaus-Modells beteiligt, in dem
ÜM
spielt
- Die Geschichten 1, 2, 7, 9 und 12 wurden noch einmal in E98 veröffentlicht
- Noch kurz vor der Drucklegung stand die Reihenfolge der Geschichten nicht fest, und das Buch hatte den Titel »Das Blumenkind« tragen sollen. Von Tove Jansson beabsichtigt war ein Umschlagbild, das nichts mit dem Titel zu tun hätte.
Ausgaben:
Schwedische Ausgabe, wie von Tove Jansson beabsichtigt mit einer Grafik von Tuulikki Pietilä als Titelbild:
Die erste deutschsprachige Ausgabe (Ü.: Widerun Rehwaldt) erschien 1981 in der DDR bei Hinstorff unter dem Titel »Die Puppenstube«, die zweite in neuer Übersetzung (Birgitta Kicherer) 2018 bei Urachhaus:
Geschichte Nr. 10 »Die Hauptrolle« erschien einzeln in: Ein Haus mit vielen Zimmern. Autorinnen erzählen vom Schreiben. Edition Fünf, 2015
Die Geschichten Nr. 1 und 9 sind außerdem in der Anthologie »Das Winterbuch« (Lübbe) enthalten, von der es auch eine Hörbuchfassung, gelesen von David Nathan, gibt.
Seite zuletzt geändert: 22. 03. 2024 / 21:24
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