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»Die Zuhörerin« [E71]

Diese Sammlung von 18 Erzählungen erschien 1971 unter dem schwedischen Originaltitel »Lyssnerskan«.

Inhalt:

  1. Die Zuhörerin
    Eine Mittfünfzigerin verändert sich plötzlich völlig: ihr ganzes Leben war sie eine aufopfernde Zuhörerin und einfühlsame Briefeschreiberin gewesen, doch nun verwechselt sie Namen, vergisst Geburtstage, und vor allem hat sie neuerdings große Probleme mit der Zeit, kommt beispielsweise zu spät. Ihr großer Verwandten- und Freundeskreis reagiert distanziert. Da zieht sie sich zurück und arbeitet ihre lebenslange Zuhörerrolle in einem großen Schaubild auf, das das Beziehungsgeflecht aller darstellt. Dadurch kommt ihr Wissen und ihre Konzentration zurück. Und doch schlägt ihr am Ende die Zeit wieder ein Schnippchen: als das Schaubild endlich vollendet ist, ist es auch schon wieder veraltet...
  2. Sand löschen
    Lange war überhaupt nie etwas los gewesen, und nun muss ein Mädchen in einer sehr abgelegenen Gegend gleich zwischen zwei Ereignissen wählen: einer Unterwassersprengung und einem Sandkahn, der in der Nähe ausgeladen wird – von einem starken jungen Mann. Coming-of-Age-Streiflicht.
  3. Kindergeburtstag
    Anja und Vera, zwei ältliche Schwestern, veranstalten bei sich zu Hause einen Kindernachmittag – wie es dazu kam, bleibt unklar. Mit dem ihnen fremdartigen Treiben der Kinder sind die beiden in unterschiedlicher Weise überfordert, doch gibt es ihnen beiden Anlass, ihr eigenes symbiotisches Zusammenleben neu zu hinterfragen.
  4. Der schlafende Mann
    Ein Mädchen bekommt nachts einen Anruf von einem Freund – er soll in eine Wohnung gehen und dort nach jemandem schauen, und er will sie mithaben. Dort schläft ein Mann auf dem Boden. Die Kinder rufen einen Arzt, der aber nur entnervt etwas nicht Schlimmes diagnostiziert und den beiden in Verkennung der Lage einschärft, dem Mann weiter behilflich zu sein – also müssen sie da bleiben... Das zunächst ängstlichere Mädchen erweist sich dabei als entschluss- und handlungsfreudiger in der unheimlichen Situation.
  5. Schwarz-weiß (Hommage an Edward Gorey)
    Ein Zeichner wird mit der Illustration einer Horror-Anthologie beauftragt und merkt schnell, dass er richtiges Schwarz um sich herum braucht, wofür sein Heim zu licht eingerichtet ist. Seine Frau vermittelt ihm einen Aufenthalt in der leer stehenden Villa ihres Onkels, die nicht nur sehr unheimlich, sondern auch baufällig ist...
  6. Brief an ein Idol
    Eine Frau verehrt einen Schriftsteller von ferne. Nach einer schlechten Zeitungskritik schreibt sie ihm, eigentlich gegen ihre eigene Überzeugung, und es kommt gar zu einem Treffen. Man kann persönlich nichts miteinander anfangen, aber nach kurzer Enttäuschung weiß sie, dass seine Bücher trotzdem für sie schön und wichtig bleiben werden.
  7. Eine Liebesgeschichte
    Ein Maler auf Stipendienreise mit seiner Frau sieht auf der Biennale von Venedig eine Skulptur, die er sehr gerne kaufen würde. Leider ist der Preis so hoch, dass die Reise damit beendet wäre. Überdies handelt es sich um ein Hinterteil aus Marmor, und beides zusammen macht es zu einem echten Paarproblem...
  8. Der Andere
    Ein vereinsamter Kalligraph erlebt neuerdings Absencen, in denen er neben sich zu stehen scheint – Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit sich selbst und seiner Monomanie für wohlgesetzte Buchstaben.
  9. Im Frühling
    Erste Frühlingsanzeichen – eine Frau überlegt, ob sie ihren Verflossenen anrufen soll. Aber dann schneit es doch weiter.
  10. Das stille Zimmer
    Ein älteres Ehepaar betritt die Wohnung eines Bekannten oder Verwandten, um ihm Sachen fürs Krankenhaus zu holen (offenbar liegt ein Selbstmordversuch vor). Der Ehemann entdeckt hinter den »normalen« Büchern, geradezu geheim gehalten, Werke über Gartenkunst und fragt sich, für welche Sache er selbst sich in seinem Leben noch so sehr interessiert, dass er sich ihr widmen möchte.
  11. Der Sturm
    Während ein Schneesturm die Dachwohnung einer Frau schwer beschädigt, ruft endlich ihr Freund an, mit dem die Beziehung letztlich in einer sehr schweren Phase war. Sie ist so zufrieden, dass sie den äußeren Schaden nicht einmal erwähnt.
  12. Graue Duchesse
    Die junge Manda vermag zu sehen, wenn jemand bald stirbt. Um dieser Gabe zu entfliehen, zieht sie in die Stadt und meidet weitestgehend den Umgang mit Menschen. Dank ihres großen Talents für Farben und Muster wird sie Oberstickerin in einem bedeutenden Modesalon. Als eine hochadlige Kundin einmal darauf besteht, sie persönlich zur Rede zu stellen, weil ein Kleid anders als bestellt ausgeführt wurde, sieht Manda deren baldigen Tod voraus. Hiernach stürzt sie sich ins städtische Menschengewühl – die seherische Fähigkeit schreit auf, versiegt aber schließlich angesichts der Fülle. Am nächsten Tag ist Manda von ihrer Gabe befreit, aber nicht nur davon...
  13. Vorschlag für eine Einleitung
    Protokollartige Darstellung der unzählbar oft unterbrochenen Nacht einer älteren Frau.
  14. Der Wolf
    Japanischer Zeichner besucht finnische Zeichnerin und scheint den Wunsch zu haben, wilde Tiere zu sehen. Daraus ergibt sich ein Besuch des im Winter eigentlich geschlossenen Zoos nebst zahlreicher Reflexionen über die Verständigung über Kunst bei absoluter Sprach- und Kulturbarriere.
  15. Der Regen
    Streiflichtartige Darstellung, wie eine alte Dame von einer abgelegenen Insel ins Krankenhaus gebracht wird und dort stirbt. Basierend auf dem Tode von Signe Hammarsten Jansson, der Mutter der Autorin, im Jahr vor dem Erscheinen des Buches.
  16. Die Sprengung
    Der verwitwete Nordman ist Sprengmeister. Zu einem Sprengauftrag weit draußen auf einer kleinen Insel muss er erstmals seinen kleinen Sohn mitnehmen, da es mehrere Tage dauern wird. Der Junge beobachtet ehrfürchtig das schweigsame Miteinander des Vaters und seines Kompagnons und erinnert sich an die Mutter, die zu Lebzeiten deren Arbeit stets ablehnte. Nach der gelungenen Sprengung schafft es der Junge, sich fürs Hier und Jetzt und die Zukunft zu entscheiden.
  17. Lucios Freunde
    Charakterbild im Tone einer Unterhaltung unter Freunden über einen, der immer verstummt, wenn über andere geredet wird.
  18. Das Eichhörnchen
    Eine Schriftstellerin lebt auf einer weit abgelegenen Kleinstinsel und will dort alleine überwintern. Der Tag ist in ritualisierte Abschnitte eingeteilt, wobei auch durchscheint, dass der Alkohol eine Rolle spielt. Ein unvermutet auftauchendes Eichhörnchen (es muss auf einem Brett übers Meer getrieben sein) bringt die vermeintliche Wohlgeordnetheit sofort völlig durcheinander. Jede literarische und sonstige Selbstreflexion erweist sich schnell als überholt, weil das Tier sich eben doch nicht mit menschlichen Maßstäben zum Gegenüber machen lässt.

Bemerkungen:

Ausgaben:

Originaler Umschlag, gestaltet von Tove Jansson selbst:

Auf Deutsch erschien das Buch 2017, übersetzt von Birgitta Kicherer, bei Urachhaus (wobei der Umschlaggestalter irgendwie nicht von dem Umstand erfuhr, dass die »Zuhörerin« der Titelgeschichte eine ältere Dame ist):

Die Geschichten Nr. 9, 11 und 13 sind außerdem in der Anthologie »Das Winterbuch« (Lübbe) enthalten, von der es auch eine Hörbuchfassung, gelesen von David Nathan, gibt.

Erwachsenen- und andere nicht-Mumin-Literatur

Übersicht
Vi. En romantisk bok för älskande  •  Die Tochter des Bildhauers  •  Die Zuhörerin  •  Das Sommerbuch  •  Stadt der Sonne  •  Das Puppenhaus  •  Die ehrliche Betrügerin  •  Stenåkern  •  Reisen mit leichtem Gepäck  •  Fair Play  •  Briefe von Klara  •  Anteckningar från en ö  •  Meddelande. Noveller i urval 1971-1997
einzeln erschienene Texte von Tove Jansson inkl. Briefe

Seite zuletzt geändert: 11. 10. 2023 / 18:30 


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