Date: Sun, 12 Feb 2012 15:15:20 +0100
Liebe Mumin-Freundinnen und -freunde,
ich habe viel erwerbsgearbeitet, dementprechend zünftig geurlaubt, und eh man sich versieht, ist ein halbes Jahr dahin geglitten. Da will ich doch gleich mal ein wenig Boden gutmachen.
Seit Anfang November liegt er schon hier und will besprochen werden, der vierte Mumincomic-Band von Reprodukt. Er enthält fünf Episoden:
Skript-Autor der ersten vier dieser Geschichten war Toves Bruder Lars; er hatte diese Funktion übernommen, weil Tove mit der Dauerbelastung durchs Comiczeichnen ab 1956/57 immer schlechter zurecht kam. Als Konsequenz sind die Handlungen etwas diesseitiger als bisher und an Motiven außerhalb der Muminwelt ausgerichtet. Gerade Nummer 14 und 15 sind dramaturgisch noch etwas hölzern gestrickt, bis dann mit Nummer 16 wieder ein konsequenter, ökonomischer und echt »muministischer« Erzählstil gefunden ist. Nummer 17 bietet eine interessante neue Lesart des schon früher in unterschiedlicher Weise verarbeiteten Kometen-Stoffes. Signiert sind all diese Episoden mit »Jansson«, um die Kooperation der Geschwister anzuzeigen. Geschichte Nummer 18 schließlich wurde vor Nummer 14 angefangen, blieb dann aber halbfertig liegen, als Lars einstieg, und wurde erst nach und nach von Tove alleine vollendet. Man muss sagen, dass sie die beste Folge in diesem Band ist – und vielleicht eine der besten überhaupt. Ungebrochen auf höchster Höhe bleibt jederzeit Toves Zeichenkunst – hier machte sie keine Kompromisse und erlaubte sich keinerlei Schwächen.
Ansonsten kann ich mich hinsichtlich der gelungenen Übersetzung (Matthias Wieland), der hohen Qualität von Handlettering, Papier, Druck, Halbleinenbindung usw. immer nur wiederholen; ich bitte Euch alle zu glauben, dass ich kein bezahlter Claqueur bin – doch ich kann nicht anders, als dieses prächtige Buch so allseitig wie allerwärmstens zum Kauf zu empfehlen. Mit Reprodukt hat sich der ideale Verlag gefunden, um diese wunderbaren Comics der Vergessenheit zu entreißen. Als einziges wundert mich, dass es diesmal kein individuelles Nachwort, sondern nur das in jedem Band gebrachte Standard-Nachwort hat.
Mumins – Die gesammelten Comic-Strips von Tove Jansson
Band 4
Reprodukt, Berlin
ISBN 9783941099272
24 €
Im Herbst bestieg ich nicht nur Vulkane in Süditalien, sondern hatte auch Lektüre, nämlich eine allgemein verständlich aufbereitete Einführung in die Existenzphilosophie, geschrieben vom Finnen Jukka Laajarinne, die ich dank der Übersetzung ins Schwedische lesen konnte.
Kurz gesagt identifiziert der Autor die Fragen, denen Kierkegaard, Camus, Sartre, Heidegger u. v. a. nachgingen, in zahlreichen Figuren und Szenen der Muminbücher: Wer bin ich, welches ist mein Platz in der Welt, warum betragen sich Menschen in Gruppen anders als alleine, kann man sich überhaupt selbst kennen, habe ich Freiheit, usw. usf. – Wer jetzt annimmt, dass dies nicht vergnüglich ist, muss damit rechnen, eines Besseren belehrt zu werden, denn diverse Male habe ich mich in der parallelen Lesung von Mumins und den Existenzphilosophen geradezu vor Lachen wegschmeißen wollen. Bemerkenswert fand ich auch, dass beide Literaturwelten einander wechselseitig ohne Schaden zu beleuchten vermögen. Wer immer also der finnischen oder der schwedischen Sprache mächtig ist, könnte hieran Vergnügen finden.
Jukka Laajarinne: »Muumit ja olemisen arvoitus«, ISBN 9789517965927; »Mumin och tillvarons gåta«, ISBN 9789150113334
Von 1930-32, also von ihrem 16. bis zum 18. Lebensjahr, verließ Tove Jansson ihr Elternhaus in Helsinki, um (gleich ihrer Mutter) Zeichnen an der Technischen Schule in Stockholm zu studieren. Während dieser Zeit wohnte sie bei verschiedenen Mitgliedern der dort ansässigen Familie mütterlicherseits. Das geistige Klima war allgemein vielfältig und der Austausch wie die Betätigungen rege. Toves Onkel Harald Hammarsten war nicht nur Chemiker, sondern auch dem Segeln zugetan. Mit all diesen Fäden in der Hand ist nun hinreichend vorbereitet worden, dass 1937 ein Jubiläumsband der Norrköpinger Segelgesellschaft zu ihrem 50-jährigen Bestehen erschien, welcher eine kurze Segelgeschichte von Harald Hammarsten enthält, die mit 5 Illustrationen von Tove versehen ist. Ein überaus seltener Fang, den ich da gemacht habe; und wie es meine Art ist, teile ich ihn natürlich gerne mit der Welt da draußen – die Bilder sind ab sofort hier zu sehen:
http://www.zepe.de/tjillu/segling/index_d.html
Bzw. hier, wenn man die Einbettung ins Virtuelle Muminforschungszentrum bevorzugt:
http://www.zepe.de/mumin/ilse.php
In Tampere, wohin Tove Jansson ihr Arbeitsarchiv noch zu Lebzeiten vermacht hatte, steht seit 2004 eine kleine Mumin-Bronzefigur, deren Gussform von Toves Lebensgefährtin Tuulikki Pietilä geschaffen worden war. Im vermeintlichen Schutze der winternächtlichen Dunkelheit wurde das Standbild nun kürzlich von unberufener Hand losgebrochen – jedoch fand man es bereits am folgenden Morgen an einem Straßenrand ganz in der Nähe wieder. Überdies hatte eine Überwachungskamera die Tat gefilmt, und der Statuendieb konnte identifiziert werden. Schon 2009 war die Bronzeplastik so beschädigt worden, dass sie neu gegossen werden musste, und auch damals war der Verursacher schnell gefunden worden. Fragt sich nur, ob man angesichts dieser Vorfälle eine bedeutende antimuministische Untergrundströmung im eigenen Land annehmen muss, oder ob es sich um vereinzelte Extremisten handelt... Auch im aktuellen Fall wird die Reparaturzeit auf einige Monate veranschlagt.
Ich verabschiede mich mit einem Foto aus dem letzten Spätsommer, wo mir auf einem Drachenfestival das abgebildete Exemplar auffiel. Leider konnte ich den Besitzer nicht ausfindig machen, um ihn näher zu befragen.
Damit grüßt mal wieder
Zépé
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