Date: Fri, 24 Oct 2003 08:34:09 +0200
Ein freundliches HEJ in die Runde!
Über 70 E-Mail-Adressen stehen inzwischen auf der Liste dieses Rundbriefs – wir fangen an, eine relevante Gruppe zu werden... Wer nicht mehr dabei sein möchte, möge mir dies mitteilen; wer noch jemand Interessiertes weiß, erst recht ;-)
Die eine oder der andere wird es schon bemerkt haben: auf langen Zugfahrten habe ich an meinem Laptop herumgeknobelt, und herausgekommen ist eine völlige Reorganisierung der Muminforschungsseiten unter http://www.zepe.de/mumin/ – um den Charakter einer Anordnung verschiedener Räume anzudeuten, habe ich die neue Fassung »Virtuelles Muminforschungszentrum« betitelt. Mag sein, dass die neue Navigation mit dem Wandern »von Zimmer zu Zimmer« am Bildschirm gewöhnungsbedürftig ist, aber in dieser Form ist es einfach leichter, Neues »anzubauen«, auch an mehrere Bezugspunkte zugleich und ohne mühevolles und doch zwangsläufig kompromissbeladenes Einordnen in eine strenge Hierarchie. Um zu wissen, ob ich auf dem richtigen Wege sein könnte, bin ich natürlich auf Euer aller Meinung angewiesen.
Der Arena-Verlag brachte als aktuelle Folge seiner Neuübersetzungen der Mumin-Bücher durch Birgitta Kicherer den die Reihe inhaltlich abschließenden »Herbst« (HM) heraus. Der »Winter« ([WM]) und die »Geschichten« ([GM]) sind somit irgendwie übersprungen worden, aber die Nummerierung der Bände legt nahe, dass sie noch folgen sollen. Es mag sein, dass [WM] noch durch den Oetinger Verlag blockiert ist, in dem nach wie vor die Übersetzung durch Dorothea Bjelfvenstam erhältlich ist.
Nachdem mir »Mumins Inselabenteuer« (MI) in der Neuübersetzung schon gut gefallen hatte, war meine Sorge gering, dass viel im »Herbst«-Buch schiefgehen könnte. Und tatsächlich möchte ich auch diese Übertragung als gelungen bezeichnen. Ein Vergleich mit der älteren Bjelfvenstam-Übersetzung liegt natürlich nahe. Aber die Unterschiede scheinen mir nicht gravierend. Etwas flüssiger liest sich die Kicherer-Version sicher weg, aber nicht zum Schaden der Handlung, die ja äußerlich wenig aufregend ist, sondern sich hauptsächlich im Inneren der Figuren abspielt. Im Gegenteil ruft Kicherers allgemeine Wortwahl in der Übersetzung ein schönes, adäquates Erzähltempo hervor.
Ein weiteres positives Moment liegt darin, dass die Namen der Vorgängerübersetzung gegenüber gleich geblieben sind. Wer den Muministischen Rundbrief schon länger mitliest, wird sich erinnern, dass ich im Falle von »Muminvaters wildbewegter Jugend« ([MJ]) über die dort vorgenommenen Umbenennungen geklagt hatte. Aber der Onkelschrompel und der Homsa Toft behalten ihre Namen, nur dass sie hier aus Konsistenzgründen nicht dem Mumrik, sondern dem Schnupferich begegnen. Völlige Gleichförmigkeit wird allerdings in der Serie nicht erreicht: die kleine Mü schreibt sich hier weiterhin mit ü, die Mymla hingegen mit y wie schon in ([MJ]), während sie im »Sturm« noch »(Tochter der) Mümmla« geheißen hatte.
Das Ende... Unbestreitbar ist der letzte Satz im letzten Buch einer Serie von ganz besonderer Wichtigkeit. Ich möchte einen kurzen Vergleich anführen, der vielleicht stellvertretend für die gesamten Charaktere der verschiedenen Übertragungen stehen kann. Kicherer übersetzt:
»Der Homsa Toft hatte reichlich Zeit, um durch den Wald hinabzusteigen, dem Ufer bis zum Bootssteg zu folgen und genau rechtzeitig die Fangleine in Empfang zu nehmen.«
Irgendwie meine ich, dass das nicht klingt mit dem doppelten »Fang«. Zum Vergleich das schwedische Original:
»Homsan Toft hade god tid på sig att gå ner genom skogen och följa stranden till båtbryggan, precis lagom för att ta emot fånglinan.«
Also »... die Fangleine _entgegenzunehmen_«, was sich auf Deutsch zugegebenermaßen papieren ausnimmt. Von der Genauigkeit her ist also kein Vorwurf zu erheben. Sehen wir uns nun Bjelfvenstam an:
»Der Homsa Toft hatte gut Zeit, um durch den Wald hinabzugehen und dem Strand bis zum Bootssteg zu folgen, gerade Zeit genug, um das Tau aufzufangen.«
Hier holpert ein wenig das »hatte gut Zeit«, aber das etwas freier gewählte und doch im maritimen Kontext verbleibende »Tau« lässt sich dann doch bedeutend klangvoller »auffangen«.
Merkwürdigerweise wurde von Arena zusätzlich die das Buch abschließende Zeichnung des Homsas Toft auf dem Steg vergessen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es absichtlich ausgelassen wurde. Das Ende wirkt also in gewissem Maße »leicht verrissen«.
Insgesamt aber möchte ich aber natürlich trotzdem allen MuminfreundInnen empfehlen, dieses Buch zu kennen, weiterzugeben etc. Es ist ein Segen, dass dieser wunderbare Text endlich wieder im Buchhandel erhältlich ist.
Im letzten Rundbrief tat ich noch ahnungslos, aber mir schwante schon, was hier kommen würde: die Übersetzung von WG, dem Löcherbilderbuch, seit 50 Jahren überfällig. Leider ohne meine Mitwirkung... ;-) Zur Erinnerung: Unsere Mitmuministin Anke-Lu und meine Wenigkeit hatten das Werk in langer Kooperation ins Deutsche hinübergereimt und danach keinen Verlag gefunden. Der LeiV-Verlag, der jetzt eine Übersetzung herausbringen will, war uns nicht bekannt. Aber immer noch lässt das Buch auf sich warten, obwohl der angekündigte Termin (September) verstrichen ist. Ihr Reporter bleibt am Ball.
Im Sommer habe ich die auf Deutsch erschienenen von Tove Janssons »Erwachsenenbüchern« gelesen. In den folgenden Rundbriefen werde ich sie nach und nach vorstellen. Soviel kann ich jetzt schon verraten: ich traf auf eine große Fülle von Motiven aus den Muminbüchern, eingebaut nunmehr in menschliche Verhältnisse. Eigentlich folgt ein »Augenöffner« auf den nächsten. Der Beschäftigung mit diesen übergreifenden Themen entspringt eine neue Abteilung im »VMFZ« (siehe vorigen Abschnitt), betitelt »Leitmotive«, der sich in den nächsten Monaten füllen wird.*
Liegt hier schon: 3 CDs aus dem Hörverlag. Ich höre es peu à peu an und berichte in der nächsten Ausgabe.
Damit mal wieder beste muministische Grüße
von
Christian / Zépé
*) Anm. Nov. 2007: Dieser Plan wurde geändert; die Leitmotivforschung wird nach und nach das Lexikon bereichern.
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