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Muministischer Rundbrief Dezember 2008

Date: Sat, 27 Dec 2008 13:02:53 +0100

Und wieder einmal ist es so weit... und sogar noch dieses Jahr :-)

Rezension des ersten Mumin-Comic-Bandes bei Reprodukt

Eine lange (Jahrzehnte!) freudlose Zeit ist im November dieses Jahres zu Ende gegangen, als der 1. Band der neuen Mumincomic-Ausgabe durch den Berliner Verlag Reprodukt herauskam. Endlich werden die Mumin-Comics von Tove Jansson wieder auf Deutsch erhältlich sein!

Die für diese Ausgabe eigens vorgenommene Neuübersetzung ins Deutsche besorgte Annette von der Weppen. Hierzu scheinen mir einige Vorbemerkungen nützlich zu sein. Tove Jansson erdachte die Geschichten in ihrer Muttersprache Schwedisch – zunächst alleine, ab einem bestimmten Punkt des Schaffensprozesses auch immer häufiger mit ihrem Bruder Lars zusammen. Dieser war meines Wissens ausgebildeter Fremdsprachenkorrespondent (er verfasste auch ein Handelskorrespondenz-Sprachbuch Schwedisch/Englisch) und übersetzte im nächsten Schritt die Texte ins Englische, welche Tove dann wiederum in die ins Reine gezeichneten Bildfolgen einsetzte. Dieses Material wurde dann zum Zeitungsverlag nach England gesandt. Die Mumincomics haben also eine doppelte Sprachbasis, mit der »Ausdenksprache« Schwedisch und der offiziellen Ersterscheinungssprache Englisch. Die englische Fassung diente in der Regel als alleiniger Ausgangspunkt für Übersetzungen in alle möglichen Sprachen, und so war es auch bei der nun hier zu besprechenden neuen Übertragung durch Annette von der Weppen.

Um es kurz zu machen: die Arbeit ist im allgemeinen sehr gut gelungen, sehr viel näher am Original als die alte BULLs-Übersetzung, und sie wirkt ebenso frisch wie angemessen. Hier und da hätte man sich eine größere Textgenauigkeit wünschen können; »Never!« heißt nun mal »Niemals!« und nicht »Nö« – in diesem konkreten Fall kippte dadurch die dramatische Geste Snorkfräuleins ins Banale und büßt an Fallhöhe und damit auch an Komik ein. Aber nun an Einzelstellen herumzukritteln wäre doch arg beckmesserisch. Die kleinen Ungenauigkeiten häufen sich allerdings in der letzten Episode des Bandes – war hier etwa Zeitdruck im Spiel...?

Problematisch wird es ganz selten mal, wenn der Text mit einem zu stark Deutsch-idiomatischen Ausdruck wiedergegeben wird. Ich weiß nicht, ob es zwangsläufig auf jeden Leser so wirkt, aber ich habe dabei manchmal einen Erika-Fuchs-mäßigen Eindruck (die langjährige Donald-Duck-Übersetzerin mit Kultstatus war für die gesamte Comicwelt immerhin sehr stilprägend mit ihrer reichen Anwendung möglichst hochsprachiger Metaphern), und dann falle ich kurz ob dieses in sich selbst kreisenden Plaudertons aus dem Comic-Geschehen heraus. Sagt die Vorlage: »Footprints this big!«, dann ist die Übersetzung »Fußabdrücke, solche Kaventsmänner!« vielleicht ein wenig zu gesucht. Aber so etwas kommt wie gesagt nur selten vor. Alles in allem bin ich sehr froh über die gelungene Übersetzungsarbeit. Dass in Episode 1 das britische Währungssystem beibehalten wird und Mumin daher auch auf Deutsch in »Sixpence« etc. rechnet... – da hätte sich sicher etwas Befriedigenderes finden lassen können. Richtig störend ist eigentlich nur die »Sinnflut« auf Seite 93 – da hat das Lektorat gepennt, so leid es mir tut, das zu sagen.

Michael Hau hat den Text liebevoll, sauber und stilistisch passend in die Bilder eingetragen. Dies beschränkte sich nicht nur auf den Sprechblasentext (in feinen, ausgewogenen Großbuchstaben) – es war auch so manche Beschriftung innerhalb der Illustrationen einzudeutschen, wobei Tove Jansson die verschiedensten Stile für die Buchstaben wählte; all das ist würdig wiedergegeben, so dass diese deutsche Ausgabe graphisch wesentlich befriedigender herauskommt als sogar die schwedische – nämlich voll und ganz!

Über Verarbeitung und sonstige haptische Qualitäten des Bandes kann ich nichts sagen, weil ich ein Rezensionsexemplar in digitaler Form erhalten habe. Da die zu Recht viel gerühmte englische Neuausgabe von Drawn & Quarterly als Vorbild und Datenbasis diente, ist davon auszugehen, dass hier keine unfreudigen Überraschungen zu erwarten sind. Der relativ stolze Preis von 24 € verpflichtet allerdings auch zu gewisser Wertigkeit – immerhin war das englischsprachige Werk selbst zu Beginn preiswerter und ist inzwischen fabrikneu für nur nur noch 13-14 € zu haben. Aber andererseits – man tauscht ein nicht ganz so nötiges Weihnachtsgeschenk um, dann ist auch dieses Buch refinanziert ;-)

Fazit: wärmste Empfehlung.

ISBN: 3941099043

Die Puppenstube und andere Geschichten (1978)

Seit 1968 veröffentlichte Tove Jansson Bücher außerhalb des Mumin-Kosmos. Bis zu ihrem Lebensende entwickelten sich drei literarische Hauptlinien:

  1. (nur selten vorkommend) durchgängige, in Kapitel gegliederte Romanerzählungen;
  2. Episodenromane mit nur lose zusammenhängenden, hin und her springenden Kapiteln;
  3. (am wichtigsten:) Sammlungen voneinander unabhängiger Kurzgeschichten.

Das Buch »Dockskåpet och andra berättelser« von 1978 gehört zur dritten Kategorie, und wie so oft bei Tove Jansson gibt es vielfältige autobiografische Versatzstücke und damit etliche Verzahnungen mit den Mumin-Büchern, da es dort ebenso war. Die einzelnen Geschichten habe ich auf der Seite

http://www.zepe.de/mumin/e78.php

zusammengefasst und dort auch einige Querverweise in Leben und Werk der Autorin aufgezeigt, soweit ich sie erkennen konnte – wer etwas ergänzen möchte, ist herzlich eingeladen, mir die eigenen Beobachtungen, Hypothesen etc. mitzuteilen.

Das Buch gibt es auf Deutsch nur antiquarisch; es erschien 1981 in der DDR bei Hinstorff.

Reise mit leichtem Gepäck (1987)

Ein weitere Sammlung von Kurzgeschichten erschien 1987, wie immer unter dem Titel einer der Einzelepisoden. Das literarische Spektrum ist weiter geworden (sogar eine Science-Fiction-Geschichte ist zu finden!), hingegen hat die Sprache zu größerer Klarheit und Einfachheit gefunden, wie mir als eher solala Schwedisch Lesendem sofort auffiel. Die Themen sind weniger autobiografisch als im neun Jahre älteren Buch, die Einblicke in die Seelenwelt der Figuren ebenso, mehr zu Allgemeingültigkeit hin. Zusammenfassung der Geschichten hier:

http://www.zepe.de/mumin/e87.php

Dieses Buch erschien bisher nicht auf Deutsch; lediglich die titelgebende Geschichte wurde 1998 für einen Literaturband über Skandinavien übersetzt.

Mumins im Zwarwald

Wer im Internet intelligente Unterhaltung sucht, muss manchmal weit laufen. Der »Zwarwald« des Zeichners Leo Leowald ist fast täglich ein lohnendes Ziel. Wie ich erst kürzlich erkannte, traten bei ihm im April 2006 einmal Mumins auf:

[Link nachträglich korrigiert]

Nach dem Jahreswechsel soll der Zwarwald renoviert werden, es kann also sein, dass dieser Link so bald nicht mehr gilt.

Zugabe

Anhängend eine Mumin-Studie in den verschiedensten Gemütslagen, die Tove Jansson zu einem mir unbekanntem Anlass anfertigte.

Damit verabschiedet sich bis zum nächsten Mal
und mit den besten Wünschen fürs neue Jahr

Zépé

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